Die Wahrheit

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Vor Weihnachten allgegenwärtig: In Bayern gehört das Gedicht „Heilige Nacht“ des nach wie vor beliebten Antisemiten Ludwig Thoma zum festen Brauchtum.
Ludwig Thomas Erbe ist in Bayern bis heute tief verwurzelt – trotz seiner antisemitischen Schriften. Straßen und Schulen in Oberbayern tragen noch immer seinen Namen, während seine umstrittenen Ansichten immer wieder in der öffentlichen Debatte auftauchen. Gleichzeitig wird eines seiner bekanntesten Werke, ein Weihnachtsgedicht mit starken regionalen Wurzeln, Jahr für Jahr in der Adventszeit vorgetragen und rezitiert.
Thomas Gedicht „Heilige Nacht“ aus dem Jahr 1908 ist fester Bestandteil der bayerischen Weihnachtsbräuche. In Dialekt verfasst, erzählt es die Geschichte von Josef und Maria, die in Bethlehem vergeblich eine Herberge suchen. Der Refrain „Im Wald is so staad“ („Im Wald ist es so still“) hat sich über Generationen als Ohrwurm etabliert und wird bei festlichen Zusammenkünften und Schulveranstaltungen gesungen.
Seit mehr als 25 Jahren bringt der Schauspieler Enrico de Paruta das Gedicht in ausverkauften Bühnenaufführungen in München, Ingolstadt und Regensburg zum Leben. Die jährlichen Vorstellungen ziehen ein Publikum an, das das Werk als Teil des kulturellen Erbes schätzt. Doch Thomas Gesamtwerk umfasst auch offen antisemitische Artikel, die zu seinen Lebzeiten im „Miesbacher Anzeiger“ veröffentlicht wurden. Kritiker werfen der Öffentlichkeit vor, mit der Namensgebung von Straßen und Schulen diese problematische Vergangenheit zu ignorieren. In München sieht sich Oberbürgermeister Dieter Reiter mit Forderungen konfrontiert, eine nach Thoma benannte Straße umzubenennen – eine offizielle Entscheidung steht jedoch noch aus. Angesichts der anstehenden Kommunalwahlen 2026 könnte das Thema erneut zur Debatte zwischen den Kandidaten werden, darunter Dominik Krause (Grüne) und Clemens Baumgärtner (CSU).
Die anhaltende Beliebtheit des Gedichts steht in krassem Gegensatz zu Thomas dokumentiertem Antisemitismus. Während „Heilige Nacht“ durch Aufführungen und Rezitationen im bayerischen Brauchtum lebendig bleibt, wirft die fortgesetzte Präsenz seines Namens im öffentlichen Raum Fragen auf: Wie lässt sich kulturelles Erbe mit historischer Verantwortung in Einklang bringen? Bisher gab es keine offiziellen Schritte, um die Namenskonflikte zu lösen.

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